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Obama und Syrien Joker im Nahost-Poker

Irans Atomprogramm, der Terror im Irak, der Stillstand im Nahost-Konflikt: All diese Probleme will Barack Obama gleich nach seiner Amtseinführung zum Schwerpunkt machen. Und für alle könnte Syrien der Schlüssel sein. Der künftige Präsident bricht mit Bush - und setzt auf Annäherung an Assad.

Das Washingtoner Büro der Bertelsmann-Stiftung hat eingeladen. Zur Debatte steht die Zukunft des Nahen Ostens unter einem Präsidenten Barack Obama. Die Runde diskutiert munter, in einem Hotelraum nur einen Steinwurf vom Oval Office entfernt.

Immer wieder kommen die Diskutanten zurück auf ein Land: Iran. Wie, wo, wann lässt sich Teheran doch noch von seinen Atombomben-Plänen abbringen? Die Argumente fliegen hin und her, doch ein Teilnehmer kritzelt auf seinen Block nur ein Wort.

"Syrien".

Syriens Präsident Assad (l., bei Besuch des libanesisches Kollegen Suleiman): Der Joker im großen Poker des Nahen Ostens

Syriens Präsident Assad (l., bei Besuch des libanesisches Kollegen Suleiman): Der Joker im großen Poker des Nahen Ostens

Foto: REUTERS

Eine Annäherung an das Regime von Bashar Assad in Damaskus gilt Außenpolitikern der US-Hauptstadt längst als Trumpf für diplomatische Fortschritte in der Region. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass schon im Frühjahr wieder US-Diplomaten in Damaskus stationiert werden", sagt SPIEGEL ONLINE Andrew Tabler, Syrien-Experte am Washington Institute. Die USA hatten ihren Botschafter dort im Februar 2005 nach dem Mord am ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri abgezogen - für den viele Experten Assad direkt verantwortlich machen.

Ohne Syrien keine Stabilität im Irak, kein friedliches Nebeneinander von Israelis und Palästinensern - davon scheinen US-Außenpolitiker mittlerweile überzeugt zu sein. Wohl wichtiger aber noch ist ihnen: Syrien ist bisher Irans wichtigster Verbündeter in der Region. Sollte Damaskus sich von Teheran entfremden, werde sich das Gleichgewicht in Nahost zu Gunsten der prowestlichen arabischen Staaten verschieben. Diese - allen voran Saudi-Arabien - fürchten eine atomare Bewaffnung Iran.

Um einen Keil zwischen Syrien und Iran zu treiben, dürfte Obamas Team zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sein. "Die bisherige Regierung Bush wollte erst einen Wandel in Syrien sehen, bevor sie Angebote unterbreitet", sagt Tabler. "Obamas Berater sehen es dagegen nicht als Zeichen der Schwäche, offen auf das Land zuzugehen."

Konkrete Forderungen aus Syrien

Die Syrer haben bereits angekündigt, was sie sich von den USA konkret wünschen. Bei den geplanten direkten Friedensverhandlungen zwischen Israel und Syrien soll die US-Regierung mit am Tisch sitzen. Man will für Zugeständnisse gegenüber Israel den maximalen Preis erzielen: vermutlich volle Anerkennung im Westen und Duldung des syrischen Einflusses im Libanon. Im Gegenzug könnte Syrien seine Unterstützung für die Terrororganisationen Hisbollah und Hamas beenden und sich von Iran distanzieren.

"Ein von den USA vermittelter Frieden zwischen Israel und Syrien würde Syrien als Feind ausschalten und so den Bruch der Allianz zwischen Iran und Syrien bewirken", schreiben die Nahost-Experten Richard Haas und Martin Indyk in "Foreign Affairs". "Aber das kann nur gelingen, wenn die Obama-Regierung sich aktiv einbringt - denn Syrien wird seine strategische Partnerschaft mit Iran nicht aufgeben, wenn es nicht gleichzeitig die Chance normaler Beziehungen mit den USA sieht."

Sollten sich die USA auf die Politik eines "Wandels durch Annäherung" einlassen, würde es Europas Vorbild folgen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy empfing Assad im Juli in Paris und reiste selbst nach Damaskus. Am vergangenen Wochenende haben sich die EU und Syrien auf den Text eines Assoziierungsabkommens geeinigt. Es soll im Sommer 2009 unterschrieben werden und dem Land die gleichen Handelsbeziehungen wie Israel und anderen Mittelmeerländern gewähren.

Auch Bush versuchte schon eine Annäherung

Unkompliziert ist die Annäherung aber nicht. "Die Idee, Iran und Syrien voneinander zu lösen, kursiert schon seit dem Beginn der syrisch-iranischen Allianz während des Iran-Irak-Kriegs in den achtziger Jahren", sagt Peter Rodman von der "Brookings Institution." Aber die Schwierigkeiten hätten immer zu groß geschienen.

Auch die Regierung Bush kooperierte nach dem 11. September 2001 eng mit Assads Regime im Anti-Terror-Kampf; aus Dank nahm Bush das Land nicht in seine "Achse des Bösen" aus Iran, Irak und Nordkorea auf. Doch als nach der Invasion im Irak die syrische Hilfe für Aufständische dort immer offensichtlicher wurde, begann Bushs Regierung auch für Syrien einen Regimewechsel zu fordern. Das Attentat auf Hariri vergiftete das Verhältnis.

Mittlerweile überwiegt allerdings wieder eine andere Sorge in den USA - die vor einem Zerfall Syriens und noch mehr Instabilität in der Region. Außenministerin Condoleezza Rice hat sich deshalb demonstrativ mit ihrem Kollegen getroffen. Inzwischen wird sogar erwogen, Assad Immunität für die laufenden Ermittlungen zum Hariri-Mord zuzusichern - wenn er dafür mehr Kooperationsbereitschaft verspricht.

Noch hat Syrien die Annäherungsversuche des Westens mit wenigen Gegenleistungen beantwortet. Rodman warnt: "Syrien ist ein eigentlich schwaches Land, das sich durch seine Partnerschaft mit Iran und durch Störmanöver eine wichtige Rolle in der arabischen Welt gesichert hat."

Ob es diese Erfolgsstrategie nun einfach so aufgeben mag, steht in Zweifel. Syrien hat bisher weder Waffenlieferungen an die Hisbollah in Libanon gestoppt, die über syrisches Territorium laufen, noch das Einsickern von Kämpfern in den Irak. Und die Beziehungen zu Iran sind immer noch gut.

Selbst die indirekten Friedensgespräche mit Israel oder die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem Libanon gehen kaum als Gesten guten Willens durch. Syrien ist selbst am Frieden mit Israel interessiert, weil es so den 1967 verlorenen Golan zurückerhalten will - sprich, seine Trinkwasserreserven.

Israel kritisiert "unerträgliche Diskrepanz"

Im Libanon hat sich die Hisbollah einen Gutteil der Macht sowie das Veto-Recht im Parlament gesichert. So kann sich die Hisbollah-Schutzmacht Syrien ihres Einflusses sicher sein. Assads Verhandlungsposition ist also stark. Deshalb auch beobachtet Israel mit Sorge, dass die USA womöglich bald einen Erzfeind hofieren werden.

Yossi Levy, Sprecher des israelischen Außenministeriums, warnt in der "Jerusalem Post" vor syrischem Doppelspiel: "Es besteht eine unerträgliche Diskrepanz zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun. Sie reden von Frieden und Ruhe, aber statten die Hisbollah mit Waffen aus und beherbergen in ihrer Hauptstadt die Hauptquartiere von Terrororganisationen."

Die Annäherung an Syrien birgt also viele Risiken - die designierte Außenministerin Hillary Clinton wird angesichts der Komplexität der Lage sicher noch einen Nahost-Sondergesandten zur Seite bekommen. Dafür kursieren in Washington gerade viele Namen, von Ex-Außenminister Colin Powell bis zu Clinton-Veteran Dennis Ross.

Vielleicht wird Obama aber einfach auch die Dienste der Europäer nutzen. Karim Makdissi von der American University in Beirut erwartet, "dass die USA es den Europäern weiter erlauben könnten, die Diplomatie vor Ort zu gestalten - und am Ende das Ergebnis offiziell abzusegnen."

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